Auch Kunst kommt nicht ohne Logistik aus!
Der 2. DLC-Online-Stammtisch am 21. Juni 2021 war wieder sehr interessant und zeigte die beeindruckende Bandbreite, die unsere Mitglieder einbringen. Eröffnet hat den 2. DLC-Online-Stammtisch Petra Höfinger, Geschäftsführerin von ART for ART, mit einem kurzen Einblick in ihre neue Tätigkeit und sie hat uns zu einer Exkursion zu dieser speziellen ART von Logistik eingeladen.
Danach hat unser neues Mitglied Univ.-Prof. Dr. Margaretha Gansterer Einblicke in Ihre Tätigkeit bei der „COVID-19 Future Operations Plattform“ gegeben. Diese Plattform beleuchtet unter Moderation des Bundeskanzleramts sowie der Präsidentschaftskanzlei seit Beginn der Krise die aktuellen Herausforderungen. Prof. Gansterer hat sich 2018 an der Universität Wien habilitiert und ist Institutsvorständin am Institut für Produktions-, Energie- und Umweltmanagement der Universität Klagenfurt.
Die Logistik hat sich gleich nach Beginn der Pandemie als Schlüsselthema herauskristallisiert. Zu Beginn standen die Ängste der Bevölkerung mit der Versorgung alltäglicher Güter wie das berühmt-berüchtigte Klopapier. Doch wesentlich herausfordernder war die Versorgung von Krankenhäusern mit Schutzbekleidung, Einrichtungen und Medikamenten. Sie hat an diversen Studien mitgearbeitet, die sich damit beschäftigten, was wann unter welchen Voraussetzungen knapp werden könnten. Als besonders verletztlich zeigten sich hierbei Lieferanten und Lieferketten. Die Datenlage war trotz Zusammenarbeit mit den wichtigsten Lebensmittelhändlern und Krankenhaus-Versorgern zu gering, um verlässliche Prognosen erstellen zu können. Ziel war das Monitoring der Lagerbestände, um einen realistischen Überblick zu erhalten, was aktuell verfügbar war. Ein weiterer Untersuchungsgegenstand war, wie schnell alternative Lieferanten für wichtige Produkte gefunden werden können bzw. wie die Eigenversorgung kurzfristig sicher gestellt werden kann.
Später wurde die Test- und Impflogistik ein wichtiges Untersuchungsfeld. Prof. Gansterer war auch in das Projekt „Alles gurgelt!“ eingebunden und berichtete, dass Fehler wie bei der Tracking-App unbedingt verhindert werden mussten damit dieses Projekt entsprechende Akzeptanz in der Bevölkerung findet. Es gelang in einem Kraftakt, das Projekt weitgehend pannenlos aufzusetzen. Dabei waren auch Aspekte wie Versorgungsdichte, Abhollogistik, Testauswertung, Informationslogistik wesentliche Themen. Die Erfahrungen aus der Testlogistik waren in weiterer Folge ein wertvoller Input für den Aufbau der Impflogistik. Vielen ist wohl nicht bewusst, wieviel Überlegungen und Arbeit hinter einem reibungslosen Ablauf stecken. Doch Impfstoffe, die nicht vorhanden sind, können auch nicht verteilt werden.
Das führte gleich zu den ersten Fragen. Ein Thema war, ob sich das Image der Logistik in der Corona-Krise tatsächlich verbessert habe. Jedenfalls wurde der Stellenwert der Logistik auch auf politischer Ebene mit einer neuen Wertigkeit versehen und die Bevölkerung realisierte erstmals bewusst, dass Logistik etwas ist, dass im Normalfall nicht sichtbar ist. Weitere Punkte sind die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der Digitalisierung und Transparenz. Diese ist unbedingt notwendig, um eine sinnvolle und tragfähige Datenbasis aufzubauen, auf der Entscheidungen getroffen werden können und, dass Lieferketten transparenter werden, um sie auch entsprechend analysieren und verbessern zu können.
Was haben wir aus der Pandemie gelernt oder zu lernen?
Die zerbrechlichen Lieferketten müssen gerade für lebenswichtige Bereiche stabiler werden. Ein Ansatz ist, Lieferwege zu verkürzen. Das bedeutet, wichtige Produktion wieder näher zu den Verbraucher*innen zu bringen. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Resilienz von Unternehmen und der Wirtschaft zu stärken, denn dies wird letztendlich in der Praxis entscheidend sein. Doch das wäre wohl ein weiterer Vortrag von Prof. Gansterer. Wir bedanken uns sehr herzlich für ihre interessanten Ausführungen und freuen uns, wenn sie uns weiter auf dem Laufenden hält.
Danach wandten wir uns den Chancen zu, die uns die Corona-Pandemie eröffnet und was wir im sozioökonomischen Kontext lernen können.
Welche Chancen bieten Krisensituationen wie Corona?
Dr. Anja Kossik, MSc, hat uns dazu ihr neues Buch „Die sozioökonomische Transformation – Wie Wellenreiter aus der Wirtschaftskrise führen“ vorgestellt, in dem sie gemeinsam mit Karl Hitschmann, die aus ihrer Sicht wichtigsten Themen beleuchten, die Unternehmen zu dieser besseren Resilienz, die Prof. Gansterer angesprochen hat, verhelfen kann.
Sie legte in ihrem Vortrag dar, dass Wirtschaft und sozialökonomischer Bereich nicht zu trennen sind. Die Probleme der heutigen Zeit sind mit den „alten“ Methoden nicht lösbar. Wir befinden uns heute in einem überorganisierten und unflexiblen System. Die nachkommenden Generationen sind weitgehend wirtschaftlich abgesichert und werden von anderen Werten und Motiven beseelt. Sie wollen etwas bewirken was Sinn macht. In unserer angstgetriebenen Gesellschaft, die ausschließlich auf Wirtschaftswachstum basiert sind Jobverlust, Sicherheitsorientierung und Leistungsdruck wesentliche Triebfedern und die systemische Krise wird immer sichtbarer. Gleichzeitig werden die Problemstellungen immer komplexer und lineares Denken führt nicht zum Ziel. Dies erfordert einerseits ein systemisches Problemverständnis und eine neue interdiziplinäre und kooperative Denkweise. Das bedeutet die Probleme müssen aus einer neuen anderen Ebene betrachtet werden, um funktionierende und umsetzbare Lösungsansätze zu finden.
Nach Ansicht von Dr. Kossik verlaufen Innovationen in Wellen. Deshalb auch das Bild der „Wellenreiter“ in ihrem Buch. Sie vertritt die Ansicht, dass die Digitalisierungswelle, die durch Computer, PC und Smart-Phones getrieben wurden, bereits am abklingen ist. In der Vergangenheit brachten technologische Fortschritte immer auch einen gesellschaftlichen Wandel mit sich. Dieses Mal ist es laut Dr. Kossik jedoch anders: Die Gesellschaft verlangt nach gesellschaftlichen Veränderungen. Von der Technologie getriebenen Gesellschaft kommen wir in eine von Wissen und Werten geleitete Gesellschaft.
Was könnten die „Erlösungen“ aus der Situation sein? Frau Dr. Kossik setzt hierbei auf ein Miteinander auf Vertrauen, Empathie und proaktiver Gestaltung neuer Lebens- und Arbeitswelten. Das beginnt beim Umgang mit den Mitarbeiter*innen, die nicht mehr nur als reiner Produktionsfaktor, sondern als Ressource in ihrer gesamten Persönlichkeit gesehen werden wollen bis zu kooperativen Kundenbeziehungen, die langfristig auch in Krisen tragfähig sind. Das stellt neue Herausforderungen an das Management: Leadership als Fähigkeit loszulassen, den Mitarbeiter*innen Spielraum zu geben, selbständig zu agieren, sowie die Kompetenz soziale Systeme zu erfassen und in ihrer Komplexität zu führen. Tragfähige Teams zu bilden und fördern, gesellschaftliche Strömungen zu erfassen und integrieren sowie die psychosoziale Gesundheit als integralen Bestandteil von Unternehmensführung zu betrachten.
Bis dato ging es immer um quantitatives Wachstum. In Zukunft wird es stärker um ein qualitatives Wachstum gehen, das den Mitarbeiter*innen einen Mehrwert bietet. Es wird in Zukunft nicht mehr reichen, in den Mission- und Vision-Statements sowie im Marketing geflügelte Worte zu verwenden. Es wird immer wichtiger, diese Werte nach innen und außen zu vertreten und vor allem sie tagtäglich zu leben.
Wo sind die Gemeinsamkeiten der beiden Vortragenden bzw. was konnte im Zuge der Corona-Krise bereits umgesetzt werden?
Laut Prof. Gansterer hat die „COVID-19 Future Operations Plattform“ genau hier angesetzt. Die Mitglieder dieser Plattform entsprechen der Definition der „Wellenreiter*innen“ laut Dr. Kossik: Es geht um den interdisziplinären Ansatz und Teamwork ohne Eitelkeiten über alle Fachbereiche.
Wir bedanken uns bei Prof. Gansterer und Dr. Kossik sehr herzlich für die interessanten Ausführungen. Wie immer schlossen wir pünktlich, denn auch unter Logistikerinnen gibt es Fussballfans, die der österreichischen Mannschaft erfolgreich die Daumen drückten. Wie die letzten Male auch, hat uns Doris Pulker-Rohrhofer wieder gekonnt durch die Veranstaltung geführt!
Mitglieder können auf Anforderung den Link zur Aufzeichnung dieses Workshops erhalten! Bitte ein eMail an office@damenlogistikclub.com